Unterkünfte für Geflüchtete in Hamburg – kann ein Volksentscheid eine Lösung sein?

In Hamburg ist seit Wochen eine heftige Debatte um die vom rot-grünen Senat geplanten Großunterkünfte für Geflüchtete entbrannt. Ob in Rissen, Neugraben-Fischbek, Lemsahl-Mellingstedt, Klein-Borstel oder Hummelsbüttel – überall wehren sich Bürgerinitiativen gegen geplante Bauten, die auch noch mit Polizeirecht bzw. einem aufgeweichten Baurecht durchgesetzt werden sollen.

Die Initiativen haben sich inzwischen zu einem Dachverband zusammengeschlossen und treiben den Senat vor sich her. Sie meldeten eine Volksinitiative an und übergaben dem Landeswahlleiter bereits fünf Tage nach Start der Unterschriftensammlung 26000 Unterschriften – ein bemerkenswerter Rekord in der Geschichte der Volksgesetzgebung in Hamburg.

Der Senat hat durch seine streng obrigkeitsstaatlich durchgezogene Politik die halbe Stadt (Olaf-Scholz-Siedlungen) gegen sich aufgebracht und sich in ein Dilemma manövriert, aus dem im Moment kaum herauszukommen ist. Zwar finden seit ein paar Wochen Gesprächsrunden zwischen dem Dachverband der Initiativen und dem Senat statt, aber die Positionen haben sich gegenwärtig noch nicht angenähert. Ein besonders betrübliches Bild gibt dabei die Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt ab, die bisher nur den Eindruck macht, sie sei ein gewichtiger Teil des Problems, aber weit entfernt davon, Teil der Lösung zu werden.

Doch bei allen Fehlern des Senats (die Siedlungen zu groß und an den Stadtteilen vorbei geplant, den Gerechtigkeitsaspekt bzgl. des Verteilungsschlüssels über die Stadtteile hinweg unterschätzt, kaum den Dialog mit den Bürger*innen gesucht), die Herausforderung ist sowieso kaum zu bewältigen: Geschätzt müssen im Jahr 2016 in der Stadt 40000 Geflüchtete ein Dach über dem Kopf bekommen. Die Stadt kann jedoch in der Kürze der Zeit kaum die Flächen beschaffen, um die Forderungen zu erfüllen: Keine Bebauung für mehr als 300 Menschen. Der Abstand zwischen den Unterkunftsorten solle mindestens einen Kilometer betragen. Dass die Stadt derweil viele Versäumnisse aufgehäuft hat (Leerstand nicht konsequent abgebaut, die städtische Gesellschaft SAGA nicht genügend auf die Aufgabe verpflichtet, Angebote von Grundeigentümern und Wohnungsgebern nicht genügend berücksichtigt), pfeifen die Spatzen sowieso schon lange von den Dächern.

Als kleine Hilfe steht inzwischen eine auf openstreetmap-Daten basierende Karte zu Verfügung, die es erlaubt, Flächen zu identifizieren, die der öffentlichen Hand gehören. Olaf Scholz setzt inzwischen auf eine Einbindung der Bürgerinitiativen in die Verantwortung und setzt auf „CityScope“, ein Projekt der HCU, mit dem zukünftig bebauungsgeeignete Flächen im Stadtgebiet identifiziert werden können.

Inzwischen hat sich auch das Recht-auf-Stadt-Netzwerk zu Wort gemeldet. Dessen ureigenes Thema ist die Mitbestimmung bei der Stadtentwicklung. Doch das scheint bereits die einzige Übereinstimmung mit den Inis zu sein, die Großsiedlungen verhindern wollen: Schon allein, dass die Geflüchteten bei einer möglichen Volkgesetzgebung nicht mitmachen dürfen, ginge gar nicht. Außerdem sei das Gerede von „Ghettos“ leichtfertig und hysterisch: Ein paar Tausend Menschen in einer Siedlung mache noch kein Ghetto. Das sei diffamierend.

In der Tat sollte die „Initiative für Integration“, wie sie sich nennt, etwas mehr Sachlichkeit in die Debatte bringen. Es reicht nicht aus, den eigenen Ängsten und Vorurteilen freien Lauf zu lassen und dann mit kaum erfüllbaren Forderungen ein Wunschkonzert zu veranstalten. Klar, 26000 Unterschriften in fünf Tagen sind ein sehr deutliches Zeichen. Aber sie sind auch ein Zeichen an die Geflüchteten, nicht gewollt zu sein, weil ihnen nicht zugetraut wird, sich in den größeren Wohnsiedlungen mit den Einheimischen zu arrangieren.

Keine journalistische Sternstunde

Das NDR-Magazin Panorama 3 griff in seiner Ausgabe vom Dienstag, 16.02.16, die Geschichte vom Tod eines zehn Monate alten, syrischen Mädchens aus der Zentralen Erstaufnahme Rugenbarg auf, das am 03.02.16 nach zehn Tagen auf der UKE-Kinderintensivstation verstorben war.

Das tragische Schicksal der Familie wird mit maximalem emotionalen Effekt ausgebreitet – Vater und Mutter werden befragt, dazu ein Interview-Partner der Diakonie. Das UKE will angesichts des laufenden Todesermittlungsverfahrens, das durch die Staatsanwaltschaft eingeleitet wurde, keine Auskunft geben. So weit, so normal.

Allerdings macht auch hier der Ton die Musik – und die ist mit einem Teppich voller Vorwürfe unterlegt. Zusammen mit den Klagen der Eltern (keine Antworten auf unsere Fragen, keine genauen Informationen) und dem Experten Dirk Hauer von der Diakonie Hamburg, der sich allen Ernstes beschwert, dass es zu Wartezeiten bei der Versorgung kommt (als ob das nicht Alltag wäre im deutschen Gesundheitssystem) – und von struktureller Unterversorgung spricht, konstruiert der Beitrag den Eindruck einer schlechten und stark verbesserungswürdigen, medizinischen Versorgung der Flüchtlinge insgesamt.

Kein relativierendes Wort dazu, dass manche Untersuchungen zu Todesursachen tatsächlich einige Woche dauern (müssen), keine Erklärung, wie die medizinische Versorgung tatsächlich organisiert ist – vor allem, da die ZEA Rugenbarg eher ein Vorzeigeobjekt der Behörde ist mit zwei Medizincontainern und dem Skype-Video-Dolmetscher, der bei Bedarf dazu geschaltet werden kann.

Kritisch festzuhalten bleibt allerdings, dass die Familie offenkundig nicht darüber informiert war, wie umfassend ihr Krankenversicherungsschutz ist – und dass sie jederzeit hätte auf eigenen Wunsch hin mit ihrer Tochter in ein Krankenhaus hätte gehen können. Hier bedarf es offenbar deutlich besserer Aufklärung seitens der Gesundheitsbehörde, auf welche medizinische Versorgung die Flüchtlinge Anspruch haben – und auf welche nicht.